Ereignishorizont Digitalisierung - Dämon

Schlüsselmomente der Digitalisierung

2013 trat das amerikanische Marktforschungsunternehmen Gartner die erste globale Kontroverse über die Auswirkungen der Digitalisierung los. In der Studie „Surviving the Rise of Smart Machines: The Loss of Dream Jobs and 90% Unemployment“ skizzierten die Gartner-Marktforscher K. F. Brant, A. Gupta und D. Sommer eine düstere, beängstigende Zukunftsvision.

Dystopischer Ausblick

Mit der zügig fortschreitenden Digitalisierung übernehmen intelligente Maschinen schon bald nicht mehr nur vergleichsweise einfache Aufgaben, sondern auch komplexe, bislang nicht für automatisierbar gehaltene Aufgaben, z. B. von Ärzten, Anwälten, Wertpapierhändlern oder Lehrern. Ab 2030, so Gartner, sind bis zu 90% aller Arbeitsplätze weltweit durch die Digitalisierung gefährdet. Die mit dieser dystopischen Prognose verknüpfte Forderung an Politik und Gesellschaft: Eine grundlegende Veränderung von Bildungssystemen, sozialen Sicherungssystemen und auch von unserem gesellschaftlichen Verständnis von Arbeit. Das dies schwer fallen wird, zeigt nicht zuletzt die berühmt-berüchtigte “Neuland-Aussage” von Bundeskanzlerin Merkel in 2013: “Das Internet ist für uns alle Neuland.

Fairerweise muss man zugestehen: So falsch liegt Frau Merkel mit dieser Aussage gar nicht. Damals wie heute fremdeln viele Menschen mit dem Medium Internet – intensive Nutzung hin oder her. Laut einer repräsentativen Umfrage des IT-Verbands Bitkom geben sich die Deutschen im Durchschnitt nur die Schulnote „ausreichend“ mit Blick auf ihre eigene Digitalkompetenz. Die Älteren ab 65 benoten sich sogar „mangelhaft“. Selbst die Jungen von 14- bis 29-Jahre, die digitale Technologien besonders stark nutzen, schätzen ihr eigenes Können lediglich „befriedigend“ ein. Selbstvertrauen sieht anders aus!

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Video: Frau Merkel entdeckt das Internet!

Immer noch viel Neuland

Ins Bild passt da auch ein Report des Schweizer World Competitiveness Center: Statt in Sachen Digitalisierung aufzuholen, ist Deutschland bei der globalen digitalen Wettbewerbsfähigkeit zuletzt sogar auf Platz 17 zurückgefallen. Eine Hauptursache: Der schleppende Breitbandausbau. Weniger als 10 Prozent aller Haushalte in Deutschland haben Zugang zu einem schnellen Glasfaseranschluss. Auf dem Land sind es sogar weniger als 2 Prozent. Im OECD-Vergleich in Europa liegt Deutschland mit diesen Zahlen nur auf Platz 28 von 32! Da klingt es fast wie Hohn, dass es in den Grundsätzen der Bundesregierung zur Digitalisierung heißt: “Die Herausforderungen neuer Datenströme werden wir nur bewältigen, wenn wir flächendeckend die infrastrukturellen Voraussetzungen dafür schaffen.” Da wundert es auch nicht, dass die Digitalisierung noch oft als Angriff auf bestehende Strukturen verstanden wird. So sagen 29 Prozent aller Unternehmen, Digitalisierung im eigenen Hause sei nicht nötig. In Verkehr und Logistik finden sogar 52 Prozent die Digitalisierung überflüssig. Bei Energieversorgern und im Gesundheitswesen ist es die Hälfte. Das sind viele Neuland-Gefühle.

Tatsächlich überrollt die Digitalisierung unseren Planeten mit unvorstellbarer Dynamik und Wucht. Um 50 Millionen Menschen zu erreichen, brauchte das Telefon 75 Jahre. Das Radio erreichte die gleiche Anzahl Menschen in 38 Jahren. Das Fernsehen benötigte sogar nur 13 Jahre. Kein Vergleich zum World Wide Web (WWW), das in weniger als 4 Jahren 50 Millionen Menschen erreichte. Bis 2021 sollen sogar mehr als 4 Milliarden Menschen das globale Datennetz nutzen, also mehr als jeder zweite Mensch.  

Schlüsselmomente der Digitalisierung

Die Digitalisierung ist jedoch nicht allein das WWW. Blickt man zurück, gab es schon vor der Erfindung des WWW durch Tim-Berners Lee im Jahr 1990 immer wieder wichtige Schlüsselmomente der Digitalisierung, zumeist technische Entwicklungen.

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Video: And the Internet was Born – The Creation of the ARPANET.

Ein solcher Schlüsselmoment war beispielsweise der Aufbau des ersten großen Computernetzwerks, des ARPANET (Advanced Research Projects Agency Network). Seine Funktionsprinzipien prägten später auch das WWW. Das ARPANET wurde im Auftrag der US-Luftwaffe ab 1968 von einer kleinen Forschergruppe unter der Leitung des Massachusetts Institute of Technology und des US-Verteidigungsministeriums entwickelt. Über das ARPANET sollten amerikanische Universitäten miteinander verbunden werden (ACHTUNG: die häufig zu lesende Aussage das ARPANET sei entwickelt worden, um nuklearen Angriffen im Falle eines Dritten Weltkriegs zu widerstehen, gehört in das Reich der Mythen und Legenden). Anfangs vernetzte das ARPANET lediglich vier Forschungseinrichtungen: das Stanford Research Institute, die University of Utah, die University of California Los Angeles und die University of California Santa Barbara. Später wurden weitere Forschungseinrichtungen angeschlossen. Erst am 28. Februar 1990 wurde das ARPANET offiziell stillgelegt.

Auch die Entwicklung des Mikroprozessors durch Texas Instruments im Jahr 1970 und die dadurch initiierte Miniaturisierung technischer Komponenten kann als Schlüsselmoment der Digitalisierung betrachtet werden. Denn es war eben diese Miniaturisierung die zur Formulierung des Mooreschen Gesetzes führte. Dieses legendäre Gesetz ist dabei kein wissenschaftliches Naturgesetz, sondern eher eine Faustregel, die auf eine empirische Beobachtung von Gordon Moore, einem der Mitgründer von INTEL, zurückgeht. Die Kernaussage: Die Anzahl an Transistoren (Transistoren sind das wichtigste Bauteil für Computerchips), die in einen Computerchip festgelegter Größe passen, verdoppeln sich etwa alle 2 Jahre.

Warum ist aber das Mooresche Gesetz so wichtig? Das Mooresche Gesetz war und ist entscheidender Treiber der Digitalisierung, indem sich Entwicklungstätigkeiten von Computerchip-Herstellern sowie hunderten Zulieferer daran orientierten. Hersteller von Computerchips versuchen seit jeher, die Größe eines Computerchips so gering wie möglich zu halten, um diese wirtschaftlich – also gewinnbringend – zu produzieren. Um bei gleichbleibender Größe aber trotzdem die Leistung der Computerchips zu steigern, müssen daher zwangsläufig immer mehr Transistoren auf dem gleichen Raum untergebracht werden. Dadurch steigt die Komplexität der Herstellung von Computerchips. Da sich aber die gesamte Computerchip-Industrie an den Vorgaben des Mooreschen Gesetzes orientiert, werden technologische Hürden bei der Herstellung von Computerchips bislang immer mit höherem Kapitaleinsatz just-in-time gemeistert und die Gültigkeit des Gesetzes wird zur selbsterfüllenden Prophezeiung.

Zuletzt war im Februar 2007 die Vorstellung des allerersten internetfähigen Smartphones, des iPhones, ein Schlüsselmoment der Digitalisierung. Apples iPhone war Brandbeschleuniger für die Digitalisierung und löste technologische Schockwellen auf unserem Planeten aus, deren Auswirkungen wir heute, über 10 Jahre später, noch spüren.

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Video: Steve Jobs introducing the iPhone at MacWorld 2007.

Digitalisierung = Eisberg

Zwar sind manche Auswirkungen der Digitalisierung im Alltag sichtbar, viele bleibt aber vage und im Verborgenen. Das Bild eines Eisbergs beschreibt dies treffend. Wir sehen vor allem das, was über der Wasseroberfläche ist: Das eigene Smartphone, coole und mal mehr und mal weniger nützliche Apps und Spiele, Tablets und Notebooks, digitale Sprachassistenten und Fitness-Armbänder, Uhren und Brillen, selbstfahrende Fahrzeuge, Drohnen, intelligente Fernseher, Küchengeräte, Waschmaschinen, Kühlschränke, Lichtschalter und Steckdosen. Das jedoch, was unterhalb des Wasserspiegels verbleibt, ist für die Öffentlichkeit weitestgehend unbekanntes Land und wird wenn überhaupt nur in Forschungs- und Entwicklungslabors in der Breite diskutiert.

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Video: Die Auswirkungen der Digitalisierung – Vortrag von Gunter Dueck.

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