Ereignishorizont Digitalisierung - Influencer

Der fragwürdige Impact von Influencer*Innen

Influencer*Innen sind, wie der Begriff schon sagt, Menschen, die Einfluss auf andere Menschen haben. Natürlich gibt es unterschiedliche Arten von Einfluss. Influencer*Innen mit Millionen Fans und Follower im Netz haben dadurch Einfluss, dass sie für eine gewaltige Reichweite und Sichtbarkeit sorgen können. Es gibt aber auch Influencer*Innen mit sehr viel weniger Fans und Followern, die dann aber unmittelbaren Einfluss auf eine oft sehr themenspezifische Gruppe von Menschen haben. Auch diese Art von fokussiertem Einfluss ist nicht zu unterschätzen. Klein, aber fein könnte man sagen. In den sozialen Medien sind Influencer*Innen in den letzten Jahren zu einem wesentlichen Wachstumstreiber geworden. Vorreiter sind bis heute natürlich die vielen Prominenten (oder Möchte-Gern-Prominenten), in deren Leben Einblicke zu erhaschen aus der Sicht vieler normaler Menschen äußerst spannend ist. Mit Social Media steht dazu das ideale, einfache Werkzeug zur Verfügung.

Es gibt weniger Influencerinnen als Influencer 

Die Rollen im Influencer*Innen-Business sind klar verteilt: Influencerinnen beschäftigen sich mit Beauty, Schminktipps, Liebe, Basteln, Food und Mode. Influencer sind zuständig für Musik, Games, Comedy und auch Politik. Unterschiede gibt es aber nicht nur bei inhaltlichen AspektenFrauen bzw. Influencerinnen sind auf Plattformen wie YouTube und Instagram deutlich unterrepräsentiert. Das Verhältnis 1:2 von Frauen zu Männern, welches aus Kino und TV bekannt ist, zeigt sich auch bei den 100 beliebtesten Musikvideos, den 100 beliebtesten YouTube-Kanälen und den Top 100 Instagrammer*innen in Deutschland. 

Stereotype Rollenbilder 

Je intensiver junge Menschen soziale Medien nutzen, desto stärker denken sie in stereotypen Rollenbildern. Die Ergebnisse des Berichts „Rollenbilder in den sozialen Medien und ihre Auswirkungen auf die Gleichberechtigung“ der Kinderrechtsorganisation Plan International zeigen zum Beispiel (befragt wurden 1.000 junge Frauen und Männer in Deutschland im Alter von 14 bis 32 Jahren): Ein Drittel der befragten Mädchen und Frauen sowie über die Hälfte der Jungen und Männer, die täglich soziale Medien nutzen, finden es in Ordnung, dass Frauen für die gleiche Arbeit weniger verdienen als Männer. Da kommt es wenig überraschend (im Sinne einer „self fulfilling prophecy“), dass Influencerinnen tatsächlich weniger verdienen als Influencer, wie eine Studie unter 1600 Influencer*Innen in über 40 Ländern ergeben hat. Auch wenn es um die Rollenverteilung im Alltag geht, zeigt die Plan International-Studie erstaunliche Tendenzen: 57 Prozent der Männer und 35 Prozent der Frauen sind der Ansicht, dass Hausarbeit immer noch Frauensache ist. Dazu passend: Gerade „Heavy User“, also Nutzer, die sehr viel in sozialen Medien unterwegs sind, legen mehr Wert auf klassische Schönheitsideale. Frauen sollen schlank und hübsch sein, Männer muskulös und gut gebaut.  

Aber nicht nur die Influencer*Innen, sondern auch deren Fans und Follower folgen klassischen Schemata. Schon in 2013 fand Facebook in einer Analyse von mehr als 500.000 Facebook-Status-Updates heraus, dass Männer ihren Status in sozialen Medien aktualisieren, um über Sport oder Politik zu diskutieren. Bei Frauen stehen dagegen persönliche Beziehungen im Mittelpunkt.

Wie sich Influencerinnen präsentieren

Die deutsche Medienwissenschaftlerin und Forscherin Maya Götz hat in einer Studie genauer untersucht, wie sich Influencerinnen präsentieren. Die Ergebnisse: Influencerinnen sind sehr dünn, haben langes Haar und sind gepflegt und geschminkt. Auf Fotos werden zudem die immer wieder gleichen asymmetrischen Körperhaltungen eingenommen, die die eigenen Körperformen optimieren. Typisch sind Posen wie das zur Seite ausgestellte Bein, das „zufällig“ überkreuzte Bein, der in S-Form gebogene Körper oder der „zufällige“ Blick über die Schulter. Gleiches gilt für Gesten. Typische Gesten sind eine Hand „wie beiläufig“ im Haar oder die Hand im Gesicht. Auch bei der Art und Weise wie Influencerinnen schauen lassen sich immer gleiche Muster identifizieren: der provokant erotische Blick, der fixierende Blick, der verspielt unschuldige Blick, der in sich gekehrte Blick, oder der verträumte Blick in die Ferne. Zusammenfassend können drei dominante Typen der Selbstinszenierung zusammengefasst werden: 1. die erotisch Attraktive, 2. die sympathisch Naive und 3. die schöne, beiläufig Fotografierte. Alle drei Typen sind Formen tradierter Weiblichkeitsinszenierungen. Eine weitere Zusammenstellung typischer Posen – in dem Fall von Musikerinnen und Schauspielerinnen – liefert die BILD-Zeitung.

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Video: Nena Schink – Wie Instagram unser Leben zerstört – BB RADIO.

Die oben beschriebenen Phänomene sind vor folgendem Hintergrund äußerst problematisch: Gerade junge Konsumentinnen betrachten Influencerinnen als Vorbilder und ahmen diese und deren Posen und Aussehen nach. So bearbeiten Mädchen, die Influencerinnen folgen, ihre eigenen Bilder stärker als solche, die keinen Influencerinnen folgen. Gleichzeitig empfinden sie ihr natürliches Aussehen zunehmend als unzureichend – obgleich immer mehr Nutzerinnen verstehen, dass viele Inhalte auf YouTube und Instagram aufwändig inszeniert sind. Die Konsequenz: Viele Mädchen leiden dann darunter, dass sie selbst nicht so aussehen wie die Frauen im Netz. Als „toxic positivity“ wird dies zunehmend bezeichnet: Schönheit wirkt wie Gift

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Video: Influencer und ihr #Instalife – Werbung oder Realität?

Sexualisierung von/durch Influencer*Innen

Tatsächlich sind das Geschlecht einer Person und die mit diesem Geschlecht verknüpften Stereotype etwas, was visuell in sozialen Medien besonders gut funktioniert. Der Grund ist einfach: In der Geschichte der Menschheit ist bei visuellen Darstellungen nichts so ausgeprägt wie die Darstellung von Männlichkeit und Weiblichkeit. Kritisch wird das insbesondere dann, wenn die Darstellung von Geschlechtern zu einer unangemessenen Sexualisierung führt.

Sexualisierung meint die Fokussierung bzw. Hervorhebung der Sexualität innerhalb eines umfassenderen Kontextes. Darunter fällt die Betrachtung eines Objektes unter sexuellen Gesichtspunkten bzw. unter dem Aspekt der Sexualität.

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Video: „Mimimi, typisch Frau“ – Kein Bock mehr auf Sexismus.

Immer öfter werden hier Grenzen überschritten. Im Januar 2020 rügte der Deutsche Werberat sogar das erste Mal einen Influencer öffentlich, der sexistisch für ein Produkt geworben hatte. Als frauenherabwürdigend eingestuft wurde der Post des Influencers Ron Bielecki auf Instagram. Bielecki bewarb eines Nahrungsergänzungsmittel zur Potenzerhöhung mit dem Bild eines nackten Frauenkörpers, wobei das zu bewerbende Produkt auf dem Gesäß der Frau präsentiert wurde und die Frau auf dem Schoß des Influencers saß. Herabwürdigend und sexistisch nach Ansicht des Werberats. So betone die Platzierung des beworbenen Produkts auf dem Gesäß des Frauenkörpers die „Objektifizierung der Frau“. In der Pressemitteilung des Deutschen Werberats heißt es weiter: Im Mittelpunkt des Posts stehen im „die Körper von Frauen, derer sich in herabwürdigender Art und Weise mit Hilfe der Motive bedient wird, aber auch ein Ethikverstoß bzw. die Diskriminierung von Personengruppen“

Fazit

Influencer sind Menschen, die Einfluss auf andere Menschen haben. Erheblichen Einfluss. Um so wichtiger ist es, dass dieser Einfluss am Ende nicht dazu führt, dass längst überwundene, aber noch immer tief verwurzelte Aspekte unserer Gesellschaft ungerechtfertigte Aufmerksamkeit erfahren.

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