Ereignishorizont Digitalisierung - Kräne

Infrastruktur zur Digitalisierung: Eine irreführende Diskussion

In Deutschland wird sehr viel über die Infrastruktur zur Digitalisierung diskutiert. Die vorhandene Infrastruktur ist ja auch gefühlt noch nicht weiter als zu Zeiten des berittenen Meldewesens der Römer. Immer noch sind viel zu wenige Gewerbegebiete und Wohnsiedlungen an leistungsfähige Glasfaser-Infrastruktur angeschlossen. Selbst entlang von Bundesstraßen und Autobahnen ist der Mobilfunkempfang oft so abgrundtief scheiße (man kann es leider nicht anders formulieren), dass selbst unser Wirtschaftsminister Peter Altmaier während Autofahrten aus Scham nicht mehr mit Amtskollegen telefonieren will. 

Gleichzeitig ist die Digitalisierungsinfrastruktur – ähnlich wie bei der Mobilität oder beim Strom – zunehmend Opfer quasi-religiös geführter Widerstände von Strahlungsskeptikern (z. B. bei der Errichtung von neuen Mobilfunkmasten) oder Fortschrittspessimisten (z. B. was Künstliche Intelligenz oder soziale Medien anbelangt). Ebenfalls nicht hilfreich ist, dass der Staat nahezu jede Investitionsverantwortung ablehnt und erforderliche Milliardeninvestitionen wenig sinnvoll auf die Privatwirtschaft abwälzt. Wenn es staatliche Investitionsprogramme gibt, scheitern diese bislang mit Glanz und Glorie. So wurde im Juni 2019 bekannt: Das 50-MBit/s-Förderprogramm der Deutschen Bundesregierung ist gescheitert. Von rund 4,5 Milliarden Euro Investitionssumme bzw. Fördersumme sind bisher 150 Millionen ausgezahlt worden. So hatten Ende 2018 rund 88 Prozent der Haushalte in Deutschland Zugang zu schnellem Internet mit einer Geschwindigkeit von mindestens 50 MBit/s. Versprochen hatte Kanzlerin Angela Merkel in 2014, dass bis Ende 2018 ALLE Haushalte in Deutschland Anschlüsse mit mindestens 50 MBit/s nutzen können. Das es anders geht ist in vielen Ländern zu sehen. Selbst im tiefsten Norden Skandinaviens gibt es – wie mir ein Freund zuletzt begeistert berichtet hat – flächendeckend perfekten Mobilfunkempfang.  

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Video: Sascha Lobo – „Die digitale Infrastruktur in Deutschland ist erbärmlich“.

Was mich besorgt: Wenn wir uns nach langer Diskussion entschließen Schulen mit Tablets auszustatten tun wir so als ob wir gelernt hätten das Feuer zu beherrschen. Dabei überlagert die Infrastrukturdiskussion die eigentlich wichtigen Fragen der Digitalisierung: Was bringen wir unseren Kindern bei, damit diese in der Digitalisierung bestehen können? Wie gestalten wir Digitalisierung positiv für Menschen? Wie helfen wir kleinen und mittelständischen Unternehmen bei der Digitalisierung? Wie regeln wir den Umgang mit Daten? Auch: Wem gehören welche Daten? Wie schaffen wir regulatorische Rahmenbedingungen, die sowohl die Rechte von uns Menschen als auch die Innovationskraft von kleinen und mittelständischen Unternehmen konsequent gleichermaßen schützen? Vor allem vor der digitalen Übermacht von hemmungslos und nahezu unkontrolliert agierenden globalen Großkonzernen. Was können wir der Marktmacht internationaler Großkonzerne wirkungsvoll entgegensetzen? Wie verankern wir Digitalisierung als tragende Zukunftssäule in unserem Staatswesen – jenseits einer parlamentarischen Staatssekretärin? 

Europäische und auch deutsche Parteien bekleckern sich allesamt nicht gerade mit Ruhm was die Digitalisierung anbelangt. Zumeist realitätsfremd. Viel zu naiv. 10 Jahre zu spät. Manchmal dogmatisch oder ideologisch. Der Grund ist offensichtlich: Zu viele Politiker gehören einer Generation an, die mit dem Internet und moderner Informationstechnologie kaum etwas anfangen können. Das heißt nicht, dass Politiker nur mehr 21 Jahre alt sein sollten. Es leuchtet ja schon auch ein, dass es etwas Lebenserfahrung benötigt, um Gesellschaften als Ganzes zu managen. Aber wenn sich in Deutschland, dem Land mit der weltweit drittältesten Bevölkerung, nur Ü50-Politiker um die Digitalisierung kümmern, dann wird das schwierig.

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